Sie will als "Mutter Bezirk" Reinickendorf aufräumen

Interview

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In ihrem ersten Interview nach der Wahl erzählt Emine Demirbüken-Wegner von ihren Plänen und ihrer weiblichen Herangehensweise.

Am Mittwochabend hat die Reinickendorfer Bezirksverordnetenversammlung die bisherige Vize-Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) zur neuen Bürgermeisterin von Reinickendorf gewählt. Der bisherige Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen (SPD) wurde in einer Art Positionstausch ihr Stellvertreter. Am Tag nach der Wahl spricht Demirbüken-Wegner im Morgenpost-Interview über ihren bevorstehenden Umzug ins Bürgermeister-Büro, die politischen Aufgaben in Reinickendorf, die sie vorrangig angehen will und wie ihr Mann, der 2021 selbst Bürgermeister werden wollte und scheiterte, mit ihrem Erfolg umgeht.

Zuerst einmal Herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Wie lange haben Sie gestern noch im Ratskeller gefeiert?

Emine Demirbüken-Wegner: Um Mitternacht haben wir uns voneinander verabschiedet. Ich war sehr glücklich, dass tatsächlich alle in der BVV vertretenen Parteien meiner kleinen Einladung gefolgt sind. Mein Wunsch nach einem kooperativen Miteinander hat schon mal einen guten Anfang genommen. Und mit diesem ‚Wind unter den Flügeln‘ starte ich in meine neue Aufgabe.

Wann beziehen Sie das Bürgermeisterbüro, bleibt der ausgestopfte Fuchs?

Die Tage bis zum Wochenende werden für die räumlichen Maßnahmen genutzt. Sachlich-fachlich geht es gleich ‚volle Pulle‘ los, mein erster Termin heute ist bei der Regierenden Bürgermeisterin. Der Fuchs ist das Wappentier unseres Bezirks, natürlich bleibt er. Ob ausgestopft oder nicht, wir werden dem Fuchs in den nächsten Jahren wieder richtig Leben einhauchen.

Sie haben in Ihren ersten Worten in der BVV von ihrer Herangehensweise als „Mutter Bezirk“ gesprochen. Was machen Sie Ihrer Einschätzung nach anders als Vater Staat oder ein Vater Bezirk?

Frauen gehen Lebenssituationen naturgemäß anders an als Männer. Allein schon in der Familie sind sie diejenigen, die auf ein Miteinander und Füreinander hinwirken. Und sie drücken Zugewandtheit deutlicher und direkter aus. Die erste Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf, Marlies Wanjura, (Anm. d. Red.: CDU, Amtszeit 1995 bis 2009) war u.a. deshalb so beliebt, weil sie sehr authentisch und unkompliziert mit den Problemen der Menschen umging. Das ist auch für mich das Maß aller Dinge: Authentizität, menschliche Wärme, Ehrlichkeit und Direktheit sind Essentials.

Weiterhin haben Sie gesagt, dass sie stolz und demütig seien, „als Gastarbeiterkind“ den Reinickendorfern dienen zu dürfen. Wie prägt dieser Aspekt Ihrer Biographie Ihre politische Arbeit, z.B. im Hinblick auf die Flüchtlingsunterbringung in Reinickendorf?

Bei meiner Einschulung in Berlin war ich das einzige nicht-deutsche Kind in der 1. Klasse. Ich habe nichts verstanden. Ich musste folglich anfangs eine ganz andere Art von Kommunikation mit meinen Klassenkameradinnen und -kameraden aufbauen. Bei Aufnahme meines Studiums an der TU Berlin bekam ich in meinen Studentenausweis ein „A“ für Ausländer eingestempelt. Solche Erlebnisse prägen und bereiten einen auf einen langen Weg zur gleichwertigen Akzeptanz vor. Die Unterbringung von Schutzsuchenden, woher diese auch immer kommen, ist für mich doch nicht erst mit meiner Wahl zur Bezirksbürgermeisterin „vom Himmel gefallen“. Ich habe als Mitarbeiterin beim damaligen SFB dieses thematisiert, als Integrationsbeauftragte im Rathaus Schöneberg gehörte dies zum Tagesgeschäft. Als Staatssekretärin in der Sozial- und Gesundheitsverwaltung während der Flüchtlingswelle 2015 stellte dies eine große Herausforderung dar. Mein Wahlkreis Reinickendorf-West war und ist aufgrund seiner sozialen Problematik im Fokus solcher Politik. Und ich war als Sozialstadträtin keine vier Wochen im Amt, als die ersten Ukraineflüchtlinge eintrafen. Ich glaube, es gibt kaum einen Berliner Politiker, der mit diesem Themenkomplex derart lange beschäftig ist wie ich.

Ihr Reinickendorfer CDU-Fraktionsvorsitzender Marvin Schulz deutete in einem ersten Statement zu Ihrer Wahl eine Hinwendung zur Ordnungspolitik an („Emine Demirbüken-Wegner wird dafür sorgen, dass sich die Menschen im Bezirk wieder wohlfühlen können, weil es bei uns sauber und sicher ist.“). Ist es derzeit unsauber und unsicher?

Im Wahlkampf 2023 wurden wir von den Bürgerinnen und Bürgern nahezu stündlich darauf angesprochen, dass diese sich im Stadtraum nicht wohlfühlen. Meine Kollegin Julia Schrod-Thiel hat in ihrer Verantwortung für Ordnungsangelegenheiten in 2022 einiges auf den Weg gebracht, was das öffentliche Erscheinungsbild verbessert hat. Nun wird Sie in den zusätzlichen Bereichen Grün und Straße noch mehr bewegen können. Wir werden im Zusammenwirken mit den Bürgerinnen und Bürgern unsere Schwachstellen identifizieren und dann geht es ans Aufräumen.

Im Wahlkampf geht es manchmal ruppig zu unter Konkurrenten. In Folge des Wahlergebnisses haben nun Uwe Brockhausen und sie quasi die Hierarchie-Positionen getauscht. Haben Sie sich nach der Wahl zusammengesetzt und ausgesprochen?

Mein Kollege Brockhausen und ich pflegen, wie im Übrigen alle Mitglieder des Bezirksamtes, einen sehr professionellen Umgang miteinander. Die Arbeit bringt es mit sich, dass wir uns in der Woche auch häufiger sehen bzw. zusammensetzen. Das war so, das ist so, das bleibt so.

2021 ist Ihr Ehemann Michael Wegner als CDU-Kandidat auf den Bezirksbürgermeisterposten in Reinickendorf angetreten, die CDU wurde stärkste Kraft im Bezirk, aber die Reinickendorfer Ampel wählte Uwe Brockhausen – Nach der Wiederholungswahl sind Sie nun Bezirksbürgermeisterin. Wie gut kann Ihr Mann Erfolg gönnen?

Mein Mann ist seit mehr als 40 Jahren als Unternehmer sehr erfolgreich. Er war Verbandspräsident und hoher IHK-Ehrenamtler, führte die CDU-Fraktion in Reinickendorf, war Baustadtrat, Mitglied im Abgeordnetenhaus. 2011 verabschiedete er sich aus der Politik. Dass er 2021 als Bürgermeisterkandidat antrat, war für ihn kein leichter Entschluss. Er war es dann, der mich zu einer Kandidatur für das Bezirksamt ermutigte und diese mit anderen durchkämpfte. Damit waren die Würfel für alle weiteren Entwicklungen gefallen. Ich glaube, ihm gefällt’s sehr, wie es nun gekommen ist.